Interview mit unserer neuen Beirätin Prof. Dr. Melanie Schnell

Hallo Frau Prof. Dr. Melanie Schnell, schön dass Sie sich etwas Zeit für ein Interview mit uns nehmen. Wenn man Sie googelt bekommt man schnell einen ersten Eindruck, an was für Themen Sie in ihrem Fachgebiet bis heute bereits geforscht haben und vor allem, wo Sie überall herumgekommen sind in der Welt. Wir sind schwer beeindruckt und finden das Thema ihrer Forschung sehr spannend, auch wenn wir technisch gesehen recht wenig davon verstehen, müssen wir zugeben. 

 

Wann haben Sie denn in Ihrem Leben angefangen sich für die Forschung – und speziell für die Physik und die Chemie – zu interessieren? 

Das Interesse an Forschung ist bei mir bereits zu Beginn des Studiums aufgekommen. Ich fand und finde es faszinierend, mir grundlegende Kenntnisse anzueignen und dann daran zu arbeiten, diese weiter zu entwickeln.

Ich wuchs dörflich und recht naturnah auf. Meine Großmutter hatte einen sehr großen Gemüsegarten. Schon früh fragte ich mich, warum beispielsweise manche Pflanzen aus „Zwiebeln“, andere aus „Bohnen“ und wieder andere aus kleinen Samen wuchsen. Mit dieser frühen Neugier für solche eher biologischen Zusammenhänge entdeckte ich in der Schule mein Interesse für die Chemie, bis ich dann im Studium bei der Physikalischen Chemie ankam – für mich ideal: Physikalische Methoden zu entwickeln, um chemische Zusammenhänge zu verstehen. Auch hier kam und kommt mir wieder meine Kindheit entgegen. Mein Vater baute zu Hause vieles selbst – und wir Kinder durften und (manchmal) mussten helfen. So wurde ich früh an Werkzeuge und handwerkliches Arbeiten herangeführt – eine wichtige Grundlage für unsere Laborarbeiten.

Erklären Sie uns doch bitte kurz, für was Ihr Forschungsbereich steht und wo Ihre Ergebnisse überall genutzt werden können?

Kurzfassen ist nicht meine Stärke, daher hier eine etwas ausführlichere Kurzversion.

Wir entwickeln und nutzen spektroskopische Methoden, um Molekülverbindungen mit großer Genauigkeit untersuchen zu können. Unser Forschungsinteresse konzentriert sich da jeweils auf die molekulare Ebene – wir wollen z.B. verstehen, wie Moleküle im Detail miteinander wechselwirken und damit, wie schon kleinste Veränderungen an diesen Molekülen zu anderen Wechselwirkungen führen können. Und diese Wechselwirkungen sind es schlussendlich, die die Funktion und damit Wirksamkeit von Molekülverbindungen bestimmt. Zum Beispiel können selbst relativ kleine Moleküle ihre bevorzugte Struktur ändern, je nachdem, ob sie sich in Wasser oder Ethanol, d.h. Alkohol, als Lösungsmittel befinden. Dieses gilt es zu verstehen.

Ein zweiter Schwerpunkt unserer Forschung liegt auf den Untersuchungen chiraler Moleküle. Diese Moleküle kommen in zwei Formen vor, den Enantiomeren, die wie unsere beiden Hände Spiegelbildcharakter haben, d.h. nicht einfach ineinander überführt werden können. Während diese beiden Enantiomere identische physikalische Eigenschaften wie Siedepunkte und Schmelzpunkte aufweisen, können sie hochgradig verschiedene biochemische Eigenschaften haben. Dieses zeigt sich beispielsweise in unterschiedlichen Wirksamkeiten chiraler Wirkstoffmoleküle wie Ibuprofen: Während das eine Enantiomer, d.h. die eine Händigkeit, des Ibuprofens die bekannte schmerzstillende und entzündungshemmende Wirkung hat, ist das andere Enantiomer zunächst weitestgehend unwirksam und wird schließlich im Körper durch ein Enzym in die wirksame Komponente umgewandelt – eine interessante Langzeitwirkung. Diese Unterschiede in der biochemischen und medizinischen Wirksamkeit gilt es auf der Molekülebene zu verstehen. Darüber hinaus entwickeln wir Methoden, mit denen wir chirale Molekülverbindungen identifizieren und unterscheiden können.

Unser dritter Forschungsbereich bringt uns weg von der Erde ins Weltall. Wir charakterisieren Molekülverbindungen, die auch eine Rolle in der Chemie des interstellaren Raums spielen können. Dieser Raum zwischen den Sternen ist nicht leer, sondern gefüllt mit Molekülwolken, die sich unter bestimmten Umständen weiter verdichten und dann der Beginn eines neuen Sterns werden können. Das Inventar solcher Molekülwolken wird mit Teleskopen untersucht. Diese Teleskope können die Molekülfingerabdrücke, die die Molekülverbindungen nach Anregung durch Sternenlicht aussenden, einsammeln. Um diesen spektralen Fingerabdrücken spezielle Molekülverbindungen zuordnen zu können, untersuchen wir geeignete Molekülverbindungen im Labor und stellen diese Informationen Radioastronominnen und -astronomen, die die Teleskope betreiben, für ihre Analyse zur Verfügung. So kann man nach und nach das große Puzzle, welche Molekülverbindungen im Weltall vorkommen und wie diese gebildet wurden und ggf. weiterreagieren, vervollständigen.

 

Sie sind seit einigen Jahren Professorin an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und Leitende Wissenschaftlerin bei DESY in der Forschungsgruppe „Spektroskopie molekularer Prozesse“. Woran forschen Sie denn aktuell im Speziellen? Auf was darf man gespannt sein?

Allgemeine Beispiele unserer Forschung hatte ich ja gerade bereits genannt. Ganz aktuell beschäftigen wir uns zum Beispiel damit, die Enantiomere chiraler Moleküle nicht nur zu unterscheiden, sondern auch zu trennen, so dass wir dann sehr kontrollierte Untersuchungen an ihnen vornehmen können. Unsere Methode ist insbesondere für die Molekülsysteme interessant, deren Enantiomere nicht einfach auf anderen Wegen getrennt werden können. Hier kommen wir ins Spiel.

 

Was war für Sie der Anlass, sich zukünftig bei der Dr. Barbara Mez-Starck-Stiftung mit einzubringen? Wie haben Sie von der Stiftung erfahren?

Ich kenne die Dr. Barbara Mez-Starck-Stiftung schon seit vielen Jahren, in erster Linie über die Mogadoc-Datenbank, die wir bereits während meiner Promotionszeit an der Universität Hannover verwendet haben, um spektroskopische Informationen zu bestimmten Molekülverbindungen schnell zur Hand zu haben. In meinem Forschungsbereich der Molekülspektroskopie ist die Dr. Barbara Mez-Starck-Stiftung auch über den internationalen Dr. Barbara Mez-Starck-Forschungspreis über alle Ländergrenzen hinaus bekannt, und ich fühlte mich sehr geehrt, als ich 2021 mit eben diesem Preis ausgezeichnet wurde.

 

Sie haben für ihre Forschungsergebnisse bereits zahlreiche Preise und Auszeichnungen gewonnen – unter anderem 2013 den Helene-Lange-Preis – der ausschließlich Nachwuchswissenschaftlerinnen in den MINT-Fächern und deren überragende Leistungen Tribut zollt und sie für ihre Leistungen ehrt. Wie sehen Sie das nach wie vor ungleiche Verhältnis der Geschlechter in den Wissenschaften? 

Zunächst einmal ist es mir ein generelles Anliegen, junge Leute für die Naturwissenschaften zu begeistern, z.B. mit Vorträgen, durch SchülerInnenpraktika in der Forschungsgruppe oder bei Besuchen von Schülerinnen und Schüler. Darüber hinaus bin ich fest davon überzeugt, dass Rollenvorbilder sehr wichtig sind, um sich bestimmte Berufs- und Entwicklungswege besser vorstellen zu können und auch zuzutrauen. Hier versuche ich sehr aufmerksam zu sein, z.B. indem ich bei Konferenzen, die wir planen, besonders darauf achte, einen ausgeglichenen Anteil an Wissenschaftlerinnen einzuladen. Dieses erhöht zum einen die Sichtbarkeit der einzelnen Personen, aber auch die Sichtbarkeit von Wissenschaftlerinnen im Allgemeinen. Als ich Ende der 1990er Chemie studierte, gab es an meiner Universität in diesem Fach keine Professorin. Zunächst fiel mir dieses nicht wirklich auf. Erst nach einem Uniwechsel merkte ich, dass es für mich motivierend war, auch mit Professorinnen zusammen zu arbeiten – Rollenvorbildern eben. Vielfalt ist wichtig, so bleiben alle offen für anderen Ansichten und Ideen. Gerade in Zeiten, in denen einige Leute in öffentlichen Positionen vermeintlich einfache Lösungen versprechen, wird dieses immer wichtiger.

 

Als letztes interessiert uns noch brennend: Sind sie auch auf Social-Media-Kanälen aktiv und wenn ja, mit welcher Intention und auf welchen Plattformen? 

Nein, wir sind als Forschungsgruppe nicht auf Social-Media-Kanälen unterwegs. Wir haben eine aktive Website und betreiben viel outreach, z.B. mit Schulen, wie vorher erwähnt, aber keine Social-Media-Aktivitäten.

 

Wir bedanken uns herzlich für Ihre Zeit und freuen uns in Zukunft mehr von Ihnen aus dem Umfeld der Dr. Barbara-Mez-Starck-Stiftung zu hören.