Oxidperowskite – Pioniermaterialien für die Batterietechnologie der Zukunft?

Die Universität Ulm ebnet den Weg für nachhaltige Elektromobilität mit innovativen Post-Lithium-Batterielösungen

Die Elektrifizierung des Verkehrssektors ist ein wesentlicher Schritt, um die Klimaziele zu erreichen. Momentan dominieren Lithium-Ionen-Batterien die Technologie in Elektrofahrzeugen, da sie eine hohe Energiedichte und Leistungsfähigkeit bieten. Allerdings stehen sie vor Herausforderungen wie einer steigenden Nachfrage, die zu einer zunehmenden Verknappung führt, und Umweltbelastungen, die aus der Gewinnung und Verarbeitung dieser Materialien resultieren. Deshalb wird intensiv an alternativen Batterietechnologien geforscht, die auf weniger kritischen Materialien basieren. Ein vielversprechender Ansatz ist die Nutzung von Oxidperowskiten als Kathodenmaterial. Oxidperowskite sind Materialien mit einer charakteristischen Kristallstruktur, die sich durch Flexibilität und gute Verarbeitbarkeit auszeichnen. Sie können mit verschiedenen Metallionen dotiert werden, um die gewünschten Eigenschaften zu erreichen.

Oxidperowskite als Alternative

Oxidperowskite als Kathodenmaterial für Post-Lithium-Batterien stellen eine aussichtsreiche Alternative zu Lithium-Ionen-Batterien dar, da ihre Synthese unkompliziert ist. Zudem weisen sie hohe spezifische Energien sowie Energiedichten auf und gelten im Allgemeinen als umweltfreundlicher. Im Rahmen einer rechnergestützten Studie der Universität Ulm, geleitet von M.Sc. Johannes Döhn und Prof. Dr. Axel Groß, wurden 280 verschiedene Oxidperowskite hinsichtlich ihrer Tauglichkeit als Kathodenmaterial für Post-Lithium-Batterien untersucht. Unter Anwendung der Dichtefunktionaltheorie (DFT) erfolgte die Berechnung der spezifischen Energie, der Energiedichte sowie weiterer relevanter Eigenschaften dieser Verbindungen. Von den 280 Verbindungen haben 30 den ersten Screening-Prozess bestanden. Weitere 17 wurden verworfen, da u.a. die Perowskitstruktur während der DFT-Geometrieoptimierung kollabierte, so dass nur 13 Verbindungen übrig blieben. Abbildung 1 zeigt ein Kathodenmaterial für Batterien, welches auf einer Perowskit-Struktur basiert, wie sie in der vorliegenden Untersuchung analysiert wurde. Das Material ABO3 repräsentiert dabei den Zustand bei geringer Ladung und besteht aus einer vollständigen Einlagerung von Bestandteilen (hier in blau dargestellt) in das Gitter. Im Gegensatz dazu zeigt BO3 das Material im geladenen Zustand, charakterisiert durch die Entfernung dieser Bestandteile.

Die Untersuchung der verbleibenden 13 Verbindungen basierte auf den Diffusionsbarrieren für die Migration der Shuttle-Ionen, einem entscheidenden Faktor für die Batterieleistung. Zum Beispiel ist die schlechtere Ionen-Migration bei tiefen Temperaturen die Hauptursache für die geringere Reichweite von batteriegetriebenen Fahrzeugen im Winter. Die ausgewählten Materialien und ihre spezifischen Diffusionswege sind in Abbildung 2 dargestellt, welche auch die Diffusionsbarrieren der 13 erfolgreich gescreenten Verbindungen zeigt. Es ist besonders bemerkenswert, dass MgNbO3, ZnVO3 und AlMoO3 niedrige Werte an der oberen Leerstellengrenze aufzeigen, was auf eine hohe Ionenmobilität schließen lässt. 

MgNbO3: Der vielversprechendste Kandidat

MgNbO3 wurde als besonders aussichtsreicher Kandidat für Anwendungen identifiziert. Abbildung 3 liefert eine eingehende Analyse des Diffusionsweges von MgNbO3, wobei der Diffusionspfad abwärts im interkalierten Material verläuft. Dies deutet auf eine energetisch günstige Zwischenkonfiguration statt einer endgültigen Konfiguration hin. Die Untersuchung einzelner Strukturbilder zeigt, dass die charakteristischen eckenverknüpften Sauerstoffoktaeder der Perowskitstruktur durchgehend erhalten bleiben, was die strukturelle Integrität sichert und keinen Kollaps der Struktur nahelegt. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass die effektive Energiebarriere für die Festkörperdiffusion potenziell niedriger ist als ursprünglich angenommen und sich die Teilchen somit leichter bewegen können als gedacht.

Alltagsbezug

Die Ergebnisse der Studie, die von der MEZ Starck Stiftung mitfinanziert wurden, haben das Potenzial, die Alltagsmobilität signifikant zu beeinflussen. Durch die Verbesserung der Reichweite und Leistung von Elektrofahrzeugen könnten diese Technologien dazu beitragen, die Betriebskosten zu senken. In der Folge würden Elektrofahrzeuge für eine breitere Käuferschicht erschwinglich, was einen positiven Effekt auf die Reduktion von CO2-Emissionen haben könnte. Auf individueller Ebene bedeutet der Fortschritt, dass Konsumenten Zugang zu Elektrofahrzeugen mit besserer Leistung und größerer Reichweite haben könnten, wodurch Elektrofahrzeuge zu einer praktikableren Alternative für den persönlichen Transport avancieren. Gesellschaftlich gesehen könnte die Einführung dieser neuen Batterietechnologie die Abhängigkeit von Lithium und anderen kritischen Rohstoffen verringern, was wiederum die umweltschädlichen Auswirkungen ihrer Förderung und Verarbeitung reduzieren würde. Kurz gesagt, die Verwendung von Oxidperowskiten in Batterien könnte weitreichende positive Konsequenzen für Einzelpersonen und die Gesellschaft als Ganzes haben, von finanziellen Einsparungen bis hin zum Umweltschutz.

Ein Blick in die Zukunft

Die Forschungsergebnisse der Universität Ulm markieren einen wesentlichen Fortschritt in der Entwicklung von Post-Lithium-Batterien, die nachhaltiger und effizienter sind. Die Studie legt den Grundstein für die Optimierung der Synthese von MgNbO3, einem aussichtsreichen Material für künftige Batterietechnologien. Um die in der Theorie ermittelten Eigenschaften auch in der Praxis bestätigen zu können, bedarf es weiterer Forschungsarbeit. Zukünftige Studien in Zusammenarbeit mit der MEZ Starck Stiftung, könnten sich nicht nur auf die Verbesserung der Herstellung von MgNbO3 konzentrieren, sondern auch auf die Erhöhung der Langlebigkeit von Oxidperowskit-basierten Batterien. Darüber hinaus besteht das Ziel, neue Oxidperowskit-Verbindungen zu entwickeln, die noch höhere spezifische Energien und Energiedichten bieten.

Das sich rasant entwickelnde Gebiet der Oxidperowskit-Forschung könnte in den kommenden Jahren entscheidend zur Realisierung von Batterien beitragen, die nicht nur leistungsfähiger und langlebiger sind, sondern auch eine geringere Umweltbelastung mit sich bringen. Die Vorteile von Oxidperowskiten, wie hohe spezifische Energie und Energiedichte, prädestinieren sie als Schlüsselmaterial für die nachhaltige Batterietechnologie der Zukunft. Die aktuellen Forschungsergebnisse bilden dabei eine solide Basis für den kommerziellen Einsatz von Oxidperowskit-Batterien, doch die weitere Forschung wird entscheidend sein, um das volle Potenzial dieses Materials auszuschöpfen und in realen Anwendungen zu bestätigen.

 


Quelle:
Johannes Döhn and Axel Groß, Computational Screening of Oxide Perovskites as Insertion-Type Cathode Material, Adv. Energy Sustainability Res. 2300204 (2023), Open Access, DOI: 10.1002/aesr.202300204, posted on ChemRxiv, DOI: 10.26434/chemrxiv-2023-vj973 [Paper-Link]

Autor:
Lasse S. Martinsen